Bernd Paul stellt sich vor

Ich bin kein Liegeradfahrer – soviel gleich vorneweg. Zwar bin ich an der Technologie sehr interessiert und seit 15 Jahren HPV-Mitglied, aber zum Lieger hat es bei mir nie gereicht. Mein Vorhaben am Rekordwochenende beschränkt sich auf ein „normales“ Fahrrad. Damit möchte ich den bestehenden 24-Stunden-Weltrekord des Slowenen Marko Baloh brechen, was nicht ganz einfach sein wird. Genauer gesagt bedarf es dazu mindestens 891 km, was einem Stundenmittel von über 37 km/h entspricht. Anhand dieser Geschwindigkeit ist erkennbar, dass auch hier die Herausforderung darin liegt, dem Luftwiderstand ein Schnippchen zu schlagen. Das wichtigste Element unter den „aufrechten“ Radfahrern ist hier die Sitzposition, wobei zu berücksichtigen ist, dass diese Position über eine Dauer von 24 Stunden gehalten werden muss. Wenn man den Berechnungen des Kreuzotters folgt, wird für diesen Rekord eine durchschnittliche Leistung von ca. 230 Watt erforderlich sein. Jeder, der schon einmal diese Wattzahl auf die Pedale gebracht hat weiß, welcher unglaublichen Leistungsfähigkeit dies über 24 h bedarf. Ich hoffe dieses Leistungsniveau bis Ende Juli erreichen zu können.
Sonst? Bin 40 und damit im Besten Ultra-Alter; verheiratet und Besitzer eines Hundes: Lutz. Tagsüber arbeite ich als Projektingenieur für einen Automobilzulieferer, was dazu führt, dass meine Trainingsplanung öfters flexibel gestaltet werden muss.
Zum Ultracycling bin ich 1999 über meinen Freund Dieter Göpfert gekommen, der damals zum ersten Mal das Race Across Germany (RAG) ausgetragen hat. Nach einer zweijährigen Pause habe ich 2007 den Wiedereinstieg durch die Teilnahme beim Klassiker Paris-Brest-Paris gefunden. Seitdem versuche ich meine Langstreckenfähigkeiten in den physischen und psychischen Disziplinen weiter zu optimieren. Mein Motto lautet: Train Smart – Stay Clean.
Mein großes Ziel ist die Teilnahme am Race Across America (RAAM) – die ultimative Herausforderung für jeden Langstreckenradfahrer. Da ich diesen finanziellen Aufwand jedoch nicht alleine bewerkstelligen kann, bin ich auf der Suche nach Sponsoren …
Testfahrt mit gemischten Gefühlen
Ziel meines Tests war herauszufinden, was Mensch & Maschine in Verbindung mit dem Dekra Testoval hergeben (können). Dazu wollte ich nicht die angepeilten 24 Stunden fahren, sondern ein 6-h-Test aus dem Training heraus sollte den Ausschlag geben. Die Belastungsintensität sollte dabei so eingestellt sein, dass auch 24h möglich sind. Leider erlag mein Powermeter 2 Tage vor dem Test einem Defekt, der nicht „auf die Schnelle“ repariert werden konnte. Damit habe ich meinen eingestaubten Pulsmesser wieder aus der Schublade hervorgekramt. Da ich schon seit Jahren nur noch nach Wattzahl trainiere, liefert die Pulshöhe für mich aber keinen verlässlichen Belastungsindikator.

Der Samstag: Als ich angekommen bin, hat der Schweizer Francesco Russo sein Ristretto Speedbike nach nur 2 Runden wieder eingepackt: aufgrund starkem Windes. Obwohl die nah gelegenen Windräder flott rotierten, konnte ich von unserer Boxengasse aus nicht viel bemerken. Also machte ich mich auf die erste Aufwärmrunde. Zunächst ist mir aufgefallen, dass der Asphalt nach meinen Bedürfnissen etwas rau ist - so ganz aalglatt läuft die Sache nicht. Nach der zweiten Aufwärmrunde bin ich langsam in die Gänge gekommen und habe zu meinem 6-h-Test angesetzt. Von den gefahrenen Runden gibt es außer den Windverhältnissen nicht viel zu berichten: Obwohl der Wind in erster Linie von seitlicher Richtung kam, hatte ich zwischen den beiden Geraden eine Differenz von 6-7 km/h. Bei entsprechender Richtung könnte, aufgrund der Windanfälligkeit dieses Kurses, der Unterschied allerdings noch höher ausfallen. Mit einem Intensitätsniveau eines 145er Pulses hat sich am Ende folgende Leistung ergeben: In den 6 h bin ich genau 38 Runden gefahren. Mit einer Rundenlänge von 5,8 km ergibt das einen Schnitt von 36,7 km/h - darin sind 2 kürzere Pausen enthalten. Nachdem ich die ersten 4 Runden noch mit einem 39er Schnitt gefahren bin, hat sich die Geschwindigkeit auf 36-37 km/h eingependelt. Insgesamt ist dieses Ergebnis für einen Rekord nicht ausreichend.
Hintergrund: Um den derzeitigen Rekord von 890 km brechen zu können, bedarf es einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 37,6 km/h. Darin sind (realistische) 18 min Pause enthalten. Da durch Ermüdungseffekte von einer nachlassenden Leistung auszugehen ist, muss jedoch die Fähigkeit einer höheren Anfangsgeschwindigkeit vorhanden sein. Mein Plan startet bei 39 km/h und endet bei 36 km/h.
Meine persönlichen Erkenntnisse aus dem Test sind: Grundsätzlich habe ich die Fähigkeit den bestehenden Rekord zu brechen. Allerdings müssen dazu alle Einflussparameter optimiert und die Möglichkeit von Unwägbarkeiten ausgeschlossen sein. Parameter sind: optimierte Aeroposition; Einsatz von „legalen Hilfsmitteln“ wie Aerorahmen, -laufräder, -helm; niedrigste Rollreibung; günstige Witterungsverhältnisse (Wind, Hitze, Regen); abgestimmte Ernährung & Nahrungsübergabe.
Derzeit lasse ich meine Teilnahme am Rekordwochenende noch offen. Zunächst konzentriere ich mich auf die Teilnahme beim Glocknerman, der Anfang Juni stattfindet…